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Vortrags-#Videos der #Tagung „Eine Welt voller #Verschwörungen?“

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Wie im vorigen Beitrag angekündigt, stelle ich hier die Videos mit Vorträgen der Tagung "Eine Welt voller Verschwörungen? Verschwörungstheorien und -ideologien im Spiegel deutschsprachiger Forschung" (11.-13.09.2016) ein und kommentiere sie kurz.

Die Diskussionen sind leider nicht enthalten. Man hätte dafür noch ein Aufnahmegerät für Frager herumgeben müssen.

[youtube_sc url="https://www.youtube.com/watch?v=5a3xqJE_9rc"]

(Einführung)

[youtube_sc url="https://www.youtube.com/watch?v=L5EhAbZkpcs"]

Michael Blume: Verschwörungsglauben als religionspsychologisches Phänomen
In der Diskussion wies ich darauf hin: Das Operieren mit der Vorstellung eines "Demiurgen" im Kontext von Verschwörungstheorien halte ich für problematisch. Es ist schon interessant, dass als ein Standard-Argument gegen Verschwörungsdenken dessen angeblich 'religiöse Struktur' bemerkt wird - so von Referent Michael Blume in seinem Buch "Verschwörungsglauben. Der Reiz dunkler Mythen für Psyche und Medien". Das wesentliche Problem ist ein erkenntnistheoretisches: Etwas Irdisches, dessen Status teilweise ungeklärt ist wie der einer Verschwörung, kann irgendwann falsi- oder verifiziert werden oder bleibt ungeklärt. Gehen wir davon aus, dass einstweilen keine allgemein akzeptierten Gottesbeweise auftreten, verbleibt religiöses Denken immer in dieser Ungewissheit. Insofern taugt dieser Vergleich schon nicht. Erst recht wird es für Blumes Vortrag problematisch, wenn an anderer Stelle betreffend Geheimbünde der gedankliche Bezug zu Figuren des Demiurgen - wie etwa Luzifer - zumindest diskutiert wird. Wer sich wissenschaftlich damit auseinandersetzt, hat sich erst einmal mit dem Status einer solchen Vorstellung und ihren möglichen Anwendungen zu beschäftigen. Wenn Verschwörer sich selbst als 'Götter' gerieren, macht es wenig Sinn, Theorien über sie vorzuwerfen, sie argumentierten mit Kategorien eines Quasi-Göttlichen. Es wäre eine Verwechslung von Ursache und Wirkung. - Interessant auch, dass Blume auf seiner Website, soweit ich sehe, seinen Arbeitsplatz als Referatsleiter in der Staatskanzlei von Baden-Württemberg nicht ausweist, hier im Referat nur allgemein bezeichnet. (Dies wirkt nunmal wie eine Vermeidung von Transparenz und damit schon im Kleinen eine Bestätigung jenes Vorwurfs, den Blume offensichtlich generell zurückzuweisen helfen will.) Hierzu findet sich im Netz die frühere Begebenheit, dass Blume in dieser Funktion zitiert wird: "Vehement weist er 'Verschwörungstheorien' türkischer Nationalisten zurück, geißelt 'massives Misstrauen' und warnt vor Verfolgung." ("Stuttgarter Zeitung", 08.09.2010) Es gehört heute ja zum Kenntnisstand, dass der dabei mitgemeinte Fetullah Gülen über CIA-Kontakte verfügt. Auch in einem solchen Fall kommt es auf Faktenwissen an - und die Notwendigkeit, Sachverhalte und Personen so vorsichtig zu beurteilen, dass eine Exkulpation keine solchen Fakten übergeht. Es ergibt sich sonst schnell eine Komplizenschaft zu konspirativen Strukturen, wie Geheimdienste eine sind. Die an Friedensstiftung interessierte Haltung Blumes mag ehrbar sein. Ob dies für alle gilt, über deren Aktivitäten eine solche Argumentation hinwegzutäuschen hilft, halte ich für fragwürdig.

[youtube_sc url="https://www.youtube.com/watch?v=kKuA4i94ebw"]

Andreas Anton: Wissenssoziologie von Verschwörungstheorien
Das wissenssoziologische Begriffs-Instrumentarium von Andreas Anton finde ich einleuchtend. In kritischer Sicht greift an einzelnen Stellen ein Vorbehalt aus meiner Argumentenliste im vorigen Beitrag: Es ist möglich, sich auf diese Weise einzelnen Sachdiskussionen zu entziehen. Anton bemerkt durchaus zu Recht, dass es einer Wissenssoziologie nicht - jedenfalls nicht primär - um die Bestimmung von Wahrheitsgehalten geht. Die im Referat in größerer Zahl erwähnten verschiedensten "heterodoxen" Verschwörungstheorien unterscheiden sich jedoch nach meiner Ansicht deutlich in ihrer Beurteilbarkeit. Aus soziologischer Perspektive wäre es interessant, sich z. B. dem Moment zu widmen, in dem aus einer Verschwörungstheorie allgemein akzeptiertes Faktenwissen wird (wozu wir zuletzt etwa im Fall US-amerikanischer Geheimdienste Fälle gesehen haben, siehe Edward Snowden). Bestimmte soziale Rollen verändern sich dann in der Retrospektive der vorherigen Debatte - der Verschwörungstheoretiker ist ein Aufklärer, der Verschwörungsleugner ein Unwissender, wenn nicht ein bewusster Lügner. Auch innerhalb heutzutage keineswegs akzeptierter Beispiele existieren inhaltliche Argumente, die nicht ausführlich diskutiert werden oder bereits falsifiziert wurden. Zum 9/11-Komplex gehört, dass viele Aspekte niemals in Mainstream-Reportagen auftauchen. Das ist etwas anderes, als wenn z. B. kein ernstzunehmender Beweis für eine Existenz Außerirdischer vorliegt, es nur fragwürdige Zeugenaussagen gibt (die aber immerhin gehört wurden) etc.

[youtube_sc url="https://www.youtube.com/watch?v=jFk9vE0dHJM"]

Daniel Kulla: Ideologie – Herrschaft – Verschwörung
Als linke Kritik von Verschwörungsdenken leuchten die Argumente von Daniel Kulla durchaus ein. Kapitalismus ist ein Betriebssystem, auf dem Verschwörung im Realen offensichtlich läuft, eine Verengung auf Gruppen/Personen birgt Gefahren der Vereinfachung. Nicht einverstanden bin ich mit einer eher beiläufigen Zurückweisung von Recherchen, die Hintergründe und Personen-Netzwerke erst einmal dokumentieren. Sie können erst erweisen, welche Schlussfolgerungen daraus wahr oder falsch sind. Die Vorausdeutungen auf 9/11 in der Popkultur, wie von Kulla ebf. erwähnt, sind Gegenstand einer fortlaufenden Interpretation; sie sind so umfangreich, dass ihre Diskussion eigentlich nicht ausbleiben kann. Ihr vorläufiger Nachweis führt zu der Frage, wer dies mit welchen Absichten in der Öffentlichkeit verbreitet. Die diskursive Verarbeitung ist dabei keineswegs abgeschlossen. Sie - wie manches andere - ist auch nicht in einer kapitalismuskritischen Diskussion allein abgedeckt. Man muss das eine nicht lassen, um das andere zu tun.

[youtube_sc url="https://www.youtube.com/watch?v=GGhkzxcqxR0"]

Marius Raab: Die FIFA als Bauernopfer der Weltpolitik?
Auch die psychologische Betrachtung von Marius Raab erbringt gute Differenzierungen von Mikro-Phänomenen des Verschwörungsdiskurses. Der Referent nimmt dezidiert zu einer Verschwörungs-Situation durch Überwachung im Internet Stellung (was eine meiner Forderungen hier bereits berücksichtigt). - Man könnte die sprachtheoretische Betrachtung inhaltlich noch anderorten anwenden und sehen, wie ein anti-verschwörungstheoretischer Diskurs funktioniert. Schon Verschwörungstheorie als solche ist ja ein Trigger-Wort, und der Umgang mit ihm ändert sich.

[youtube_sc url="https://www.youtube.com/watch?v=HZxQ40jag88"]

Holm Hümmler: Geschäftsmodell Verschwörungstheorie?
Die Kritik von Holm Hümmler an zweifelhaften Informationsangeboten ist grundsätzlich berechtigt. Über ein Thema wie Chemtrails kann ich persönlich nicht abschließend urteilen, aber etwa Geschäftemacherei mit angeblichen Hilfsmitteln gegen Chemtrails, die offensichtlich wirkungslos sein müssen, ist natürlich lächerlich. Das meiste in Hümmlers Vortrag ist entweder korrekte Beobachtung oder eigene Bewertung. Man müsste ansehen, was im Einzelnen argumentiert wird. Hier reicht ein rechter Jargon wie "Machtjuden" aus, um mit der Form gleich jedweden Inhalt als irrelevant zu erklären. Es ist klar, dass die Zuspitzung und Personalisierung schnell an die Volksverhetzung heranführen kann. Nur bestimmte Beteiligte und Strukturen so von vornherein aus der Betrachtung auszuschließen, lässt sich wissenschaftlich nicht rechtfertigen. Und dem liegt ein komplexer - teilweise aber nicht stattfindender - Aushandlungsprozess zugrunde, wer was mit welchen Absichten getan hat oder tun wollen würde. Wer z. B. in Deutschland, Europa oder den USA keinerlei nennenswerte verschwörerische Kräfte am Werk sieht - womit begründet er seine Aussage? - Hümmlers eigene Firma als Berater weist als Kunden "Automobil, Chemie, Finanzdienstleister, High-Tech, IT, Logistik, Pharma" aus. Wie von Marius Raab beschrieben, bestehen in High Tech und IT heute Funktionsbereiche einer sehr weitreichenden Überwachung, dabei auch Verschwörung der Betreiber gegenüber Milliarden von Nutzern. Die Automobil-Branche erlebt gerade einen ihrer größten Betrugsskandale um Abgas-Werte. Die Pharma-Industrie ist einer der äußerst berechtigten Gegenstände der Kritik - von einer übertriebenen Medikalisierung generell zur oligopolischen Marktaufteilung. Und als Auftragnehmer solcher Industrien kreidet Hümmler nun ein paar Verbreitern von Informationen, die nur angeblich, nur teilweise oder doch sehr fragwürdig sind, ihr Geschäftsinteresse an. Von der Relevanz des Gegenstands her müsste er seine kritische Intelligenz wohl eher an Wirtschaftszweigen erproben, die ihn als Person schlichtweg im Arbeitskontext bezahlen. Ich finde es nicht unpassend, darauf hinzuweisen, zumal, da Kritik an sog. Verschwörungstheorie auch den an anderer Stelle zahlenden Kunden Hümmlers dient. Nicht jede Impf-Kritik sollte man freilich unkritisch lesen, das ist wohl richtig. - Etwas übertrieben können einzelne Schätzungen von Gewinnaussichten sein. Ich werfe hier bei 9:29 Min. zu "Recentr" ein, dass Alexander Benesch wiederholt eine Schließung der Seite erwogen hat, weil der persönliche Aufwand in keinem Verhältnis zum finanziellen Gewinn stehe, der erst das wirtschaftliche Überleben sichern könnte. Das wird wohl den meisten so gehen, die jenseits des Mainstreams arbeiten. Jan Udo Holey alias Jan van Helsing und der Kopp Verlag dürften Ausnahmen bei dennoch teilweise sehr relevanten Inhalten sein. (Van Helsing spricht eine Macht-Kabale der Wall Street, wie schon frühere verfehmte Autoren, im Großen und Ganzen korrekt an. Im Programm von Kopp finden sich aufschlussreiche Bücher wie die von Jim Marrs oder Carroll Quigley. So mancher Beitrag ihrer Website trägt zu echter Aufklärung und Erweitertung der Perspektive bei, wird aber vom Mainstream komplett verhetzt.) Auch hier widerstrebt mir natürlich in der Präsentation, dass all jenes in einen Topf geworfen wird. Und man stelle sich dieselbe kritische Haltung einmal vor gegenüber Sinnlosigkeiten und Wucherpreisen der Unterhaltungsbranche. Die Kritik wäre dort für mich viel notwendiger anzubringen, wird aber fast nirgendwo geäußert - und wenn, dann nicht zuletzt in dem, was Hümmler wohl vordringlich für kritikwürdig hält, nämlich im Informations-Untergrund des Internets.

[youtube_sc url="https://www.youtube.com/watch?v=RO32xb7ESWA"]

Jan Rathje: Handlungsoptionen gegen Verschwörungsideologien
Kommen wir nun zu dem für mich schwierigsten Fall der Tagung. Nach dem Vortrag gab es einen streckenweise aufgebrachten Wortwechsel zwischen Jan Rathje und mir. Ich sehe in der Amadeu Antonio Stiftung über eine sinnvolle Beobachtung politischer Radikalismen hinaus eine Institution von Meinungsterror (was ich hier aber gar nicht direkt sagte). Dieser macht sich mittlerweile im Leben jedes einzelnen politisch Denkenden und Sprechenden bemerkbar. Ich wies im Gespräch mit Rathje darauf hin, dass ich durchaus zerstörerische Akteure in einer Reihe (finanz)wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Bereiche sehe. Ein Vortrag wie der seine blendet all dies aus und stellt dann fest, dass die Benennung zerstörerischer Tendenzen illegitim in "Antisemitismus" münde. Das kann man mit dem gebotenen Ernst wohl kaum so verallgemeinern. (Es gibt zerstörerische Tendenzen, es gibt eminent wichtige jüdische Beteiligte darin, es gibt vielfache Kritik an spezifisch jüdisch-israelischer Politik. Oder gibt es all das etwa nicht?) Natürlich gibt es unzulässige Verallgemeinerungen und einen von Hass geleiteten Sprachgebrauch. Doch nur zu suggerieren, eine auch auf jüdische Personen und Gruppierungen - und teilweise über das Ziel hinaus - gerichtete Kritik sei an erster Stelle das Problem, scheint mir eine äußerst problematische Botschaft zu sein. Ich fragte Jan Rathje daraufhin noch, was denn seine Konzeption von "Judentum" sei. Es folgte lediglich Schweigen. - Mir zeigt das, dass mit Rathjes Tätigkeit eine extrem meinungs- und vorurteilsgeleitete Haltung institutionell verstärkt wird. Ich habe nicht ersehen können, dass er über ein differenziertes Bild dessen verfügt, worüber er hier spricht - die Bildung und Artikulation 'antisemitischer Vorurteile'. Ich halte derlei für ein ernstes Problem - es ist eine sehr einseitige politische Besetzung in Geistes- und Sozialwissenschaften. Hier wird sie dann zu einer scheinsouveränen Anleitung, wie eine 'richtige' gegen eine angeblich 'falsche' politische Grundhaltung agitatorisch durchzusetzen sei - ohne Rücksicht auf irgendwelche Inhalte und Fakten, um die es konkret geht.

[youtube_sc url="https://www.youtube.com/watch?v=5qQeryPsZbg"]

Alexander Capistran: Epistemologische Probleme im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien
Mit Alexander Capistran sind wir bei reiner philosophisch-erkenntnistheoretischer Abstraktion angekommen. Ich finde die Argumentation schlüssig und interessant - moderne und postmoderne Begriffsbildungen auf das Thema Verschwörungstheorie zu beziehen und dann sogar einen Ausblick auf denkbare post-postmoderne Theorien zu wagen. Auch hier ist eine meiner Forderungen aus dem vorigen Beitrag schon enthalten: Es können sich neue Typen von Rationalität und 'Wahrheit' herauskristallisieren, die sich früheren Dilemmata entgegenstellen. Dafür halte ich es für unerlässlich, die Vielfalt von Beobachtungen und Interpretationen - soweit praktisch möglich, und das ist durchaus ein Problem bei komplexen Fragen - überhaupt erst zuzulassen und wahrzunehmen, als Interpret - auch Beobachter - dieser Debattenkultur im größtmöglichen Maß zu erkennen zu geben, welche Einzelheiten wahrgenommen wurden und wie sie zu bewerten sind, wenn sie überhaupt erst wahrgenommen wurden. So verstehe ich hier das Argument zu "Mustern, kontingenten Wahrheiten".

Wollte man einzelne der hier geäußerten Ansprüche umsetzen und erfüllen, bedürfte es einer anderen Verfassung und Organisation von Wissenschaften, als sie sich derzeit gestalten. Auch hat sich über die Jahrzehnte eine Menge sprachlicher Ausweich-, Ironisierungs- und Tarnungsspiele entwickelt, von denen die Außenwelt sich wohl bisher kaum ein Bild macht. Die Frage ist, wann die Selbstbeobachtung der Gesellschaft durch ihre Wissenschaften existenzielle Notwendigkeit erreicht bzw. wo wir auf einem denkbaren Weg dorthin uns gerade befinden.

Dieser Artikel Vortrags-#Videos der #Tagung „Eine Welt voller #Verschwörungen?“ erschien erstmals auf filmdenken.de.


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